Was bedeutet Selbstmitgefühl?

Hast du schon einmal in dich hinein gehört und darauf geachtet, wie du mit dir selbst sprichst? Wie gehst du mit dir selbst um, generell und insbesondere in Momenten, in denen du gestresst bist, in denen alles schief zu laufen scheint?

Wenn wir uns vorstellen, wie wir mit einem/einer guten Freund*in umgehen, wenn etwas in ihrem/seinem Leben nicht gut läuft, belastend oder stressig ist, so werden wir mit großer Wahrscheinlichkeit liebevoll und unterstützend reagieren. Wenn wir uns die gleiche Situation auf uns selbst bezogen vorstellen, so hat der Klang der inneren Stimme oftmals einen gänzlichen anderen Ton und Inhalt. Diese innere Stimme hat bei den meisten Menschen einen sehr harschen, verurteilenden, beschimpfenden Klang und Inhalt. Dies kann sehr viel Druck und Leid in uns selbst erzeugen und unser Stressniveau deutlich erhöhen. Selbstmitgefühl bedeutet, die liebevolle, unterstützende Stimme, mit welcher wir mit Freund*innen sprechen, als innere Stimme zu kultivieren, gerade wenn etwas mal nicht rund läuft oder es Probleme gibt. Kristin Neff, Psychologie-Professorin und vorreitende Forscherin zum Thema Selbstmitgefühl, sagt dazu:

“Mit Selbstmitgefühl schenken wir uns selbst die gleiche Güte und Fürsorge, die wir auch einem guten Freund oder einer guten Freundin schenken würden”

(Kristin Neff)

Die drei Aspekte des Selbstmitgefühls

Selbstmitgefühl schließt laut Kristin Neff drei Aspekte ein:

  1. Die Stufe der Achtsamkeit: Achtsamkeit stellt das Fundament des Selbstmitgefühls dar. Anstatt zu verleugnen oder gegen etwas zu kämpfen, üben wir präsent zu sein und achtsam wahrzunehmen, was in diesem Moment gerade ist.
  2. Die Stufe der geteilten Menschlichkeit: Diese Stufe meint die Erkenntnis darüber, dass wir alle „nur Menschen sind“. Wir alle sind unvollkommen, wir alle leiden und haben Probleme und Sorgen. Geteilte Menschlichkeit lässt uns aus dem Gefühl der Isolation in das Gemeinschaftsgefühl, das Gefühl der Verbundenheit kommen.
  3. Die Stufe der Selbstfreundlichkeit: Die Freundlichkeit gegenüber uns selbst sowie die Motivation, uns selbst bestmöglich zu begleiten und zu unterstützen. Dies beinhaltet die Frage, was brauche ich jetzt in diesem Moment? Was tut mir jetzt gerade gut?

Selbstmitgefühl ist nicht...

zu verwechseln mit Selbstmitleid. Mitunter wird mit Selbstmitgefühl auch ein „sich gehen lassen“ verbunden. Eine Art Schwäche in dem Sinne „wo kommen wir denn dahin, wenn meine innere Antreiber-Stimme mich nur noch nett ansäuselt?“ Vielleicht verbindest du mit Selbstmitgefühl auch eine Art Ausrede, wie einen Freifahrtschein oder mangelnde Verantwortungsübernahme. All diese Assoziationen sind absolut verständlich, aus unserer Sozialisation heraus ist es sehr ungewohnt, nett mit uns selbst umzugehen. All dies ist jedoch keineswegs Selbstmitgefühl.

Vielleicht hilft dir zum besseren Verständnis die Vorstellung von einer Bezugsperson aus deiner Kindheit, z.B. die Erinnerung an eine(n) Lehrer*in. Hast du dich motivierter, unterstützer und beflügelter gefühlt von Menschen, die dich liebevoll unterstützt, dich aufgemuntert und nach Fehlschlägen wieder aufgebaut haben, oder von Menschen, die dich harsch kritisiert, beschimpft und herabgesetzt haben? Warum sollte das nicht auch für unsere innere Stimme gelten? Wir müssen uns nicht innerlich niedermachen uns herabsetzen und beschimpfen, um uns „voranzubringen“. Wir können uns liebevoll begleiten und in sicherer, entspannter Atmosphäre motivieren, nach Misserfolgen wieder aufrichten und uns bestmöglich in all unseren persönlichen und beruflichen Entwicklungen unterstützen. All das ist Selbstmitgefühl!

Selbstmitgefühl auf Eltern- und Familienebene

Insbesondere auf das Familienleben und auf uns als Eltern bezogen, hat der Aspekt Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge eine unschätzbare Bedeutung. Wir sind als Eltern ständig in der liebevoll umsorgenden, versorgenden Rolle unseren Kindern gegenüber und vergessen unsere eigene Selbstfürsorge darüber häufig. Wir wollen die beste Elternversion für unsere Kinder sein, sie bestmöglich versorgen, umsorgen und das ist auch völlig richtig so! Das Problem ist nur, dass viele Eltern vergessen, dass wir auf Dauer immer nur so viel Fürsorge und Mitgefühl für andere geben und leben können, wie wir sie auch uns selbst gegenüber aufbringen.

Es gibt dafür das wundervolle Bild der Schale. Wenn wir Fürsorge und Mitgefühl als Wasser in einer Schale begreifen, so können wir am besten geben, wenn wir selbst am Überlaufen sind. Wenn wir aber immer nur aus unserer Mitgefühls- und Fürsorge-Schale schöpfen, ohne achtsam mit uns selbst umzugehen und diese durch Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge wieder aufzufüllen, dann trocknen wir irgendwann aus. In diesem Bild bedeuten Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge für uns als Eltern also etwas zutiefst Fürsorgliches für unsere Kinder.

Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle,
wenn nicht, schone dich.“

(Bernhard von Clairvaux)

Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge stellen somit keine Handlungen dar, welche als Luxus gesehen werden können und „auf irgendwann später“ verschoben werden können. Sie sind vielmehr eine absolute Grundvoraussetzung für ein gesundes Familienleben!

Darüber hinaus birgt das Kultivieren von Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge die große Chance, unseren Kinder vorleben zu können, uns bei Herausforderungen und Schwierigkeiten liebevoll selbst zu begleiten. So können auch unsere Kinder diese Fähigkeit kultivieren und eine liebevolle, unterstützende innere Stimme entwickeln und sich damit selbst wie ein(e) gute(r) Freund*in im Leben begleiten, ein wundervolles Geschenk!

Selbstmitgefühl üben

Ebenso wie Achtsamkeit können wir Selbstmitgefühl zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens erlernen und wie einen inneren Muskel durch regelmäßiges Üben stärken. Achtsamkeit und Selbstmitgefühl sind das Fundament meiner Elternkurse und meiner Beratungsarbeit sowie meines Resilienzkurses, meines Achtsamkeitstrainings und meiner Elternkurse 1:1. Es ist nie zu spät dafür, einen liebevolleren, unterstützenderen Umgang mit uns selbst zu erlernen und uns selbst wie eine(n) gute(n) Freund*in durch unser Leben zu begleiten!

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